Gestern oder vorgestern konnte ich’s auf einer Boulevardzeitung – es mag BILD oder Express gewesen sein, ich halte da immer respektvollen Abstand – in der Schlagzeile lesen: Die Griechen wollen unser Geld! Eh jetzt die in unserem Land lebenden Griechen pauschal unter Verdacht geraten, muss das vielleicht mal erklärt werden. Man könnte nämlich auch sagen, den Griechen (nicht denen hier in Deutschland, sondern dem griechischen Staat) bleibt nichts mehr übrig, als unser Geld zu nehmen, wenn wir es ihnen anbieten.
Griechenland hat in den vergangenen Jahren, um es vorsichtig zu formulieren, nicht unbedingt ein glückliches Händchen bewiesen, wenn es um das Verhältnis von Staatsausgaben und –einnahmen ging. Das Resultat ist, dass bis zum Jahr 2015 rund 140 Milliarden Euro an Krediten zurückgezahlt werden müssen – und dazu nochmal satte 90 Milliarden Euro Zinsen. Das entspricht grob einem Fünftel des Bruttoinlandsproduktes. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als ob ein alleinerziehender Vater von fünf Töchtern von 1000 Euro im Monat erst mal 200 Euro an die Bank zahlen soll und dann vom Rest sich selbst und seine Kinder ernähren darf. Oder noch anders gesagt, wenn Griechenland eine Firma wäre, würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleich mangels Masse abgelehnt und die Liquidation eingeleitet – nur geht das bei einem Land eben so schlecht, denn Griechenland kann ja nicht seine Bevölkerung entlassen und den Laden zumachen.
Bis jetzt haben die Banken immer noch mitgespielt und Griechenland immer weiter Kredit gegeben. Sicherlich haben sie das nicht aus Gutherzigkeit getan, sondern weil sie trotz der hohen Schulden des Landes immer noch davon ausgehen konnten, gegebenfalls selbst bei einem Vergleich in Folge eines Staatsbankrotts noch mit Gewinn aus der Sache rauszukommen. Die Chancen darauf standen wohl auch deshalb recht gut, weil Griechenland als Mitglied der Eurozone (und auch dadurch, dass große Mengen der Schulden ohnehin in ausländischen Währungen sind) nicht die Möglichkeit hat, durch eine hohe Inflation die Schulden zwar nominell zu begleichen, dies aber durch den Wertverlust auszugleichen. Jetzt wird es aber allmählich auch den letzten Banken zu heiß – Griechenland bekommt Kredite nur noch, wenn andere dafür bürgen.
Genau da kommen Deutschland und andere Euro-Länder ins Spiel. Da die anderen Länder der Eurozone ein Interesse an einer stabilen Währung haben und traditionell ein Staatsbankrott immer auch einen Vertrauensverlust in die Währung des betroffenen Landes nach sich zieht, haben einige Länder versprochen, dass sie für neue Kredite bürgen beziehungsweise diese selbst gewähren werden. Im Fall des Familienvaters aus dem Beispiel oben wäre das also so, als wenn seine Schwester einen Kredit aufnimmt, ihm das Geld gibt und dann selbst zusehen muss, dass sie das Geld samt Zinsen von ihm zurück bekommt. Dabei hat sie wohl durchaus im Hinterkopf, dass sie vielleicht das Geld auch nie mehr wieder sieht und den Kredit selbst zurückzahlen muss – aber sie macht es aus Verbundenheit zu ihm und den Kindern (und vielleicht weil es ihr peinlich wäre, wenn ihr Bruder mit fünf Kindern auf der Straße leben würde). So ähnlich ist die Verbundenheit der Staaten in der Eurozone auch zu verstehen. Wenn die Griechen also unser Geld wollen, muss das noch nicht bedeuten, dass wir es nie zurückbekommen. Aber die Möglichkeit besteht zumindest und muss gegebenenfalls in Kauf genommen werden.
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